Landesbeamte

Landtagsberatungen eingeleitet: Informationen zu geplanten Neuregelungen

Alimentation / Tarif- und Besoldungsrunde TV-L 2021

Landtagsberatungen eingeleitet: Informationen zu geplanten Neuregelungen

Ein Mann an einem Bürotisch pixabay Der öffentliche Dienst braucht gute Arbeitsbedingungen.

Corona-Sonderzahlung, Besoldungsanpassung, Alimentation, Attraktivitätssteigerung

Landtagsberatungen eingeleitet: Informationen zu geplanten Neuregelungen ab 01.01.2022 und 01.12.2022

Der Landtag NRW hat am 26.01.2022 erstmalig über die von der Landeregierung vorgelegten Gesetzesentwürfe beraten. Es geht um die Besoldungserhöhung (Übernahme des Tarifergebnisses aus der Tarifrunde Länder 2021), die steuerfreie Corona-Sonderzahlung und weitere Regelungen zur amtsangemessenen Besoldung für Beamt*innen des Landes und der Kommunen und immer noch um die Attraktivitätssteigerung im öffentlichen Dienst NRW.

ver.di informiert im Folgenden über die wichtigsten Details der geplanten Neuregelungen. Die Gesetzentwürfe wurden vom Plenum des Landtages an den Haushalts- und Finanzausschuss zur weiteren Beratung überwiesen. Dieser hat eine Anhörung am 10.02.2022 anberaumt. Alle nachfolgenden Informationen stehen also unter Vorbehalt der endgültigen Entscheidung des Landesparlaments über die Gesetzesvorlagen.

Corona-Sonderzahlung

  • Einmalige Zahlung in Höhe von 1.300,00 Euro bei Vollzeitbeschäftigung.
  • Anwärter*innen erhalten 650,00 Euro.
  • Voraussetzung für den Anspruch: Am 29.11.2021 (Stichtagsregelung) muss ein Dienstverhältnis bestanden haben und in der Zeit vom 01.01.2021 bis 29.11.2021 muss mindestens an einem Tag Anspruch auf Besoldung aus diesem Dienstverhältnis bestanden haben.
  • Auszahlung steuerfrei bis zum 31.03.2022. Es gibt einen „Abschlagszahlungserlass“ um die fristgerechte Zahlung sicher zu stellen. Daran ist das Land gebunden, für die Kommunen ist es eine Empfehlung.
  • Zahlen muss in der Regel der Dienstherr, zu dem das Dienstverhältnis am 29.11.2021 bestand.
  • Zahlung an Teilzeitbeschäftigte anteilig entsprechend der Wochenarbeitszeit. Detailregelungen zur Altersteilzeit als Unterfall der Teilzeit sind noch unscharf.
  • Regelungen zum Anspruch bei begrenzter Dienstfähigkeit, Beurlaubung und Elternzeit
  • Versorgungsempfänger*innen haben keinen Anspruch auf die Corona-Sonderzahlung. Bisher gibt es auch keine andere Zahlungsregelung als Ersatz oder Teilausgleich dafür.

Der vollständige Entwurf des „Gesetz über die Gewährung einer einmaligen Corona-Sonderzahlung aus Anlass der COVID-19-Pandemie für das Land Nordrhein-Westfalen und zur Änderung des Landesbeamtenversorgungsgeset-zes“ kann hier eingesehen werden: MMD17-16322.pdf (landtag.nrw.de)

Besoldungsanpassung ab 01.12.2022

  • Erhöhung der monatlichen Bezüge (Besoldungstabellenbeträge) ab dem 01.12.2022 um 2,8%
  • Erhöht werden in gleicher Weise Familienzuschläge, Amtszulagen, Strukturzulage, Stellenzulage für bestimmte Beamt*innen in Justizvollzugsanstalten, Abschiebungshafteinrichtungen, Regelungen zum Auslandszuschlag, Mehrarbeitsvergütungen sowie diverse Zuschüsse, Sonderzuschüsse, Sondergrundgehälter und Aufwandsentschädigungen.
  • Erhöhung der monatlichen Anwärter*innen-Bezüge um 50,00 Euro.

Anpassung Beamtenversorgungsgesetz NRW

Das Landesbeamtenversorgungsgesetz NRW wird mit Blick auf die Besoldungserhöhung angepasst. Damit sind die Versorgungsempfänger*innen einbezogen.

Änderung der Erschwerniszulagenverordnung

Erhöhung der Zulage für Dienst an Sonntagen, Samstagen vor Ostern und Pfingsten nach 12:00 Uhr, am 24.12. und 31.12. des Jahres nach 12:00 Uhr, wenn nicht auf einen Sonntag fallend, um 10 Cent pro Stunde, von 3,63 Euro auf 3,73 Euro. Alle anderen Zulagen für Dienste zu ungünstigen Zeiten werden nicht erhöht.

Der vollständige Entwurf des „Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2022 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen“ mit allen dazugehörigen Tabellen kann hier eingesehen werden:
MMD17-16323.pdf (landtag.nrw.de)

Alimentation (amtsangemessene Besoldung)

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2020 die Rechtswidrigkeit der Besoldung in zwei Urteilen festgestellt. Unter anderem wird der „Mindestabstand der Nettoalimentation zum grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarf“ nicht eingehalten. In einem Fall aus NRW wurde der „Mindestab-stand der Nettoalimentation kinderreicher Familien“ konkretisiert. – Die Besoldungsregelungen für kinderreiche Beamt*innen (drei und mehr Kinder) wurden im Sommer 2021 angepasst. Jetzt soll der nächste Schritt für Beamt*innen mit einem oder zwei Kindern gemacht werden. Wieder wird der Weg über die Familienzuschläge gewählt. Hinzu kommt jetzt noch die besondere Berücksichtigung der Wohnkosten. Für ledige Beamt*innen ohne Kinder und verheiratete Beamt*innen ohne Kinder gibt es keine Neuregelung der Besoldung mit Blick auf die Amtsangemessenheit. ver.di kritisiert das und kündigt an, die Auseinandersetzung um die Besoldung weiter fortzusetzen, bis alle Besoldungsbeträge verfassungskonform und amtsangemessen sind.

Der Entwurf des „Gesetz zur Anpassung der Alimentation von Familien sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften“ stellt ein Artikelgesetz dar.

Es enthält

  • Änderung des Landesbesoldungsgesetzes (Artikel 1) mit Neufassung der Landesbesoldungsordnung A für die Besoldungsgruppen A 5, A 6 und A 7
  • Änderung des Landesbeamtenversorgungsgesetzes (Artikel 2)
  • Gesetz zur Überleitung von Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppen A 5 bis A 10 (Artikel 3)
  • Änderung des Landesbeamtengesetzes (Artikel 4)
  • Änderung der Beihilfeverordnung NRW (Artikel 5)
  • Weitere Änderung des Landesbesoldungsgesetzes (Artikel 6)
  • Weitere Änderung des Landesbeamtenversorgungsgesetzes (Artikel 7)
  • Inkrafttreten (Artikel 8)

Im Kern sind, beginnend ab dem 01.01.2022, folgende strukturellen Änderungen geplant:

Übergangslösung: Für den Zeitraum vom 01.01.2022 bis zum 30.11.2022 wird den Familien mit einem oder zwei im Familienzuschlag zu berücksichtigenden Kindern ein regionaler Ergänzungszuschlag ge-zahlt. Für die Versorgungsempfänger*innen erfolgt eine entsprechende Anpassung. Der regionale Ergänzungszuschlag soll den Kostenfaktor „Wohnkosten“ berücksichtigen. Das erfolgt unter Zuhilfenahme der Mietstufen nach Wohngeldgesetz. Weitere Informationen zu den Mietstufen in den NRW-Gemeinden gibt es hier: Mietstufen in Nordrhein-Westfalen ▷ NRW 2022 (wohngeld.org)

Dementsprechend sind die Familienzuschläge in den Stufen 2 und 3 ab dem 01.01.2022 nach den Mietstufen I bis VII gestaffelt. Maßgeblich ist die Mietstufe der Gemeinde, in der die/der Beamt*in mit Hauptwohnsitz gemeldet ist. Für Sonderfälle gibt es auch Sonderregelungen.

Der Familienzuschlag der Stufen 2 und 3 wird ab dem 01.12.2022 neu strukturiert und für alle Besoldungsordnungen und –gruppen erhöht. Das erfolgt zusätzlich zur Besoldungsanpassung infolge der Tariferhöhungen. Der Begriff „regionaler Er-gänzungszuschlag“ aus der Übergangslösung entfällt wieder, der Inhalt der Regelung bleibt aber und fließt in die (Neu-)Berechnung der Familienzuschläge ein. Maßgeblich sind dann die Besoldungsgruppe, die Stufe des Familienzuschlags entsprechend der familiären Verhältnisse und die Mietstufe der Gemeinde, in der der Hauptwohnsitz ist.

Streichung der ersten beiden Erfahrungsstufen in den Besoldungsgruppen A 5 bis A 10 ab dem 01.01.2022: Es soll ein „Gesetz zur Überleitung von Beamt*innen der Besoldungsgruppen A 5 bis A 10“ geben. Vereinfacht kann man sagen, alle werden in die Stufe 3 übergeleitet. In der Stufe 3 beginnt die Stufenlaufzeit neu, unabhängig davon, welcher Stand zum Zeitpunkt der Überleitung in den bis dahin existenten Stufen 1 und 2 erreicht war.

Ausweitung der Amtszulage ab 01.01.2022 in Höhe von 81,49 Euro auf alle Beamtinnen und Beamten der Laufbahngruppe 1, erstes Einstiegsamt in der Besoldungsgruppe A 5 und den Beförderungsäm-tern der Besoldungsgruppe A 6 sowie

Einführung einer Strukturzulage ab 01.01.2022 für Beamt*innen der Laufbahngruppe 1, erstes Einstiegsamt in Höhe von 10,00 Euro und Erhöhung der Strukturzulage für Beamt*innen der Laufbahngruppe 1, zweites Einstiegsamt in den Besoldungsgruppen A 6 bis A 8 auf einheitlich 80,00 Euro.

Vollständige Abschaffung der von der Beihilfe einbehaltene Kostendämpfungspauschale für alle Besoldungsgruppen aller Besoldungsordnungen ab 01.01.2022. Das LBV NRW gibt dazu für Landesdienststellen bereits folgenden Hinweis: „[…] soll ab dem Jahr 2022 die Kostendämpfungspauschale entfallen. Solange die rechtlichen Voraussetzungen noch nicht geschaffen sind, wird die Kostendämpfungspauschale zunächst weiterhin abgezogen. Bei einer rückwirkenden rechtlichen Regelung wird Ihnen die zu diesem Zeitpunkt einbehaltende Kostendämpfungspauschale selbstverständlich wieder ausgezahlt.“ Für die Kommunen muss das jede Kommune für sich regeln. Wenn das nicht geschieht empfiehlt ver.di vorsorglich Widerspruch gegen den Beihilfebescheid zu erheben.

Zahlung eines steuerfreien Zuschusses zur Krankenversicherung in Höhe von monatlich 12,50 Euro ab dem 01.01.2022 für Beihilfeberechtigte in den Besoldungsgruppen A 5 und A 6 als Ausgleich, weil hier keine Kostendämpfungspauschale einbehalten wird bzw. wurde.

Der vollständige Entwurf „Gesetz zur Anpassung der Alimentation von Familien sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften“ kann hier eingesehen werden: MMD17-16324.pdf (landtag.nrw.de)

Umfangreiche geplante Änderungen schaffen vorübergehende Rechtsunsicherheiten

Zurzeit können viele rechtliche und individuelle Detailfragen noch nicht abschließend beantwortet werden. Das wird erst möglich sein, wenn die Gesetze in ihrer Endfassung vorliegen. Es kann auch noch zu Änderungen durch das laufende Beratungsverfahren kommen.

ver.di Kritik an den geplanten Neuregelungen

Die Übernahme des Tarifergebnisses aus der Tarifrunde Länder 2021 ist zu begrüßen und erfreulich. Nach wie vor kritisiert ver.di, dass die Versorgungsempfänger*innen für die Zeit bis zur Besoldungserhöhung am 01.12.2022 vollständig leer ausgehen sollen. Wir fordern weiterhin einen Ausgleich dafür. Ideen und Vorschläge wurden dazu gemacht, blieben aber bisher von der schwarz-gelben Regierung ungehört.

Der Versuch, die verfassungswidrigen Besoldungshöhen jetzt doch noch in dieser Legislaturperiode, also vor der Landtagswahl im Mai 2022, verfassungskonform zu regeln ist ebenfalls zu begrüßen, allerdings ist das Problem mit dem eingeschlagenen Weg über die Familienzuschläge nicht vollständig gelöst. Die amtsangemessene Besoldung muss bezogen auf die Grundbesoldungsbeträge geprüft und geregelt werden. Damit wären dann auch ledige und verheiratete Beamt*innen ohne Kinder einbezogen und das Leistungsprinzip des Beamtenrechtes würde sich widerspiegeln können. Solange diese Fragen nicht geklärt sind, werden wir den (Rechts-)Streit um die Alimentation fortsetzen müssen.

Mit den geplanten Neuregelungen wird das Geflecht an komplizierten und kleinteiligen Zahlungsregelungen für Beamt*innen in NRW noch größer. Auf Dauer kann das kaum noch jemand durchblicken und schon gar nicht spontan prüfen. Hier wird die Chance verschenkt, mehr Klarheit und einfachere Reglungen zu schaffen.

Attraktivitätssteigerung öffentlicher Dienst NRW

Der Gesetzentwurf zur Attraktivitätssteigerung im öffentlichen Dienst NRW befindet sich weiterhin im Beratungsverfahren des Landtages. ver.di hat dazu ausführlich berichtet. Auch mit diesen Themen wird sich der Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages am 10.02.22 in seiner Anhörung befassen. Allerdings ist nicht erkennbar, dass sich in wichtigen Fragen noch etwas bewegen wird.

Die überlange Wochenarbeitszeit von 41 Stunden wird zumindest unter der aktuellen Landesregierung nicht mehr zurückgeführt. Ebenso bleibt die dringend nötige grundlegende Reform des Zulagenwesens auch in dieser Legislaturperiode auf der Strecke. ver.di bringt diese und andere Themen in den Landtagswahlkampf ein. Auch die nächste Landesregierung wird sich mit den berechtigten Forderungen von Beamt*innen auseinandersetzen müssen, dafür wird ver.di sorgen. Die Erfolgsaussichten steigen deutlich, je mehr Beamt*innen in ver.di organisiert sind, denn umso größer wird der Druck auf Parteien und Regierende.