Bundesfinanzverwaltung

Flüchtlinge: Umschichtungen vom Zoll zur Bundespolizei

Flüchtlinge: Umschichtungen vom Zoll zur Bundespolizei

Stuttgarter-Zeitung: Die Bundespolizei braucht wegen der Flüchtlingskrise dringend mehr Personal, nun wird ihr geholfen. Als Folge wird der Aufbau der Mindestlohnkontrolle durch den Zoll gebremst.

Was Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Bundestag ankündigte, freute vor allem die Abgeordneten der Union. Von den Bänken der CDU/CSU gab es Zustimmung und Beifall, als Schäuble bekannt gab, dass vorerst weniger Zollbeamte die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns prüfen als geplant. Weil die Bundespolizei angesichts der vielen Flüchtlinge unterbesetzt ist, sollen Mitarbeiter des Zolls deren Arbeit unterstützen. Schäuble sagte auch, wo er Umbesetzungen vornehmen will: Die zusätzlichen Stellen beim Zoll, die zur Kontrolle des gesetzlichen Mindestlohns geschaffen werden sollten, werden zwar eingerichtet. Ein Teil dieser Beamten soll aber nicht Lohnabrechnungen kontrollieren, sondern der Bundespolizei bei der Betreuung und Registrierung der Flüchtlinge zur Seite stehen.

Mit diesem Schachzug weist Schäuble die Sozialdemokraten in die Schranken, die auf eine breite Kontrolle des Mindestlohns gesetzt hatten. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) lächelte bei der Ankündigung im Plenum spöttische Kommentare von Abgeordneten einfach weg. Dabei war sie es, die auf eine Verstärkung des Zolls zur Kontrolle des Mindestlohns gepocht hatte. In der Koalition wurde angesichts der Notlage bei den Flüchtlingen neu entschieden.

300 Zollbeamte werden zur Bundespolizei abgeordnet

Schäuble gab zwar keine Zahlen bekannt. Die Änderung wird aber dazu führen, dass die Verstärkung des Zolls für die Kontrolle des Mindestlohns auf sich warten lässt. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung sollen vorerst 300 Zollbeamte, die für die Prüfung des Mindestlohns vorgesehen waren, zur Bundespolizei abgeordnet werden. Schäuble betonte, es gebe eine große Bereitschaft, den Kollegen unter die Arme zu greifen. Viele Beamten hätten sich freiwillig gemeldet.

Da Zollbeamte in der Ausbildung auch im Ausländer- und Aufenthaltsrecht geschult werden, sei der Wechsel problemlos. Ursprünglich war geplant, mit der Einführung des Mindestlohns 1600 neue Stellen beim Zoll zu schaffen. Der Aufbau der Stellen nimmt aber mehr Zeit in Anspruch als vorgesehen, da die Beschäftigten erst gefunden und ausgebildet werden müssen. Schon vor drei Wochen gab das Finanzministerium bekannt, dass 50 Zollbeamte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei der Bearbeitung von Asylanträgen unterstützen sollen.

Warnruf von Sicherheitsexperten

Spitzenpolitiker der großen Koalition haben zu Beginn der Woche beschlossen, die Kontingente der Bundespolizei um 3000 zusätzliche Stellen aufzustocken. Diese neuen Polizeikräfte sind aber frühestens 2018 für den Einsatz bereit. Die Ausbildung bei der Bundespolizei dauert im mittleren Dienst zweieinhalb Jahre, im gehobenen Dienst drei Jahre. Sicherheitspolitiker der Union fordern, die Polizeitruppe des Bundes müsse „von der administrativen Erfassung und Registrierung von Flüchtlingen dringend und deutlich entlastet werden“. Durch den Flüchtlingsansturm seien die Beamten „personell weitgehend überfordert“. Sie würden zudem von ihren eigentlichen Aufgaben abgehalten. Der CDU-Abgeordnete Armin Schuster, früher Chef der Bundespolizeidirektion in Weil am Rhein, kommt zu einem dramatischen Befund: „Wir haben im Moment einen erheblichen Kontrollverlust an innerer Sicherheit in ganz Europa.“

Die Schleierfahndung der Bundespolizei in grenznahen Gebieten müsse „deutlich intensiviert" werden, fordern Schuster und seine Kollegen Clemens Binninger (CDU) und Stephan Mayer (CSU). Der Abgeordnete Mayer berichtet, dass die Bundespolizei derart überlastet sei, dass an der südbayerischen Grenze überhaupt keine Kontrolle dieser Art mehr stattfinde. Allein dafür wären nach Ansicht der Unionsexperten 1000 neue Planstellen erforderlich.

Kommen jetzt stationäre Grenzkontrollen?

Mit den jetzt bewilligten 3000 zusätzlichen Stellen ließen sich lediglich altbekannte Personallücken schließen, sagt Schuster. Damit werde ein Personalstand erreicht, wie er ohnehin vorgesehen gewesen sei. Die 3000 neuen Stellen seien „kein Luxus, sondern essenzieller Bedarf“, sagt der CSU-Mann Mayer. Mit Blick auf die Sicherheitslage an den deutschen Außengrenzen sei dies „erst die halbe Miete“. Die drei Abgeordneten warnen: Falls die europäischen Regeln zum Umgang mit Flüchtlingen nicht eingehalten würden, müsse „als ultima ratio auch die temporäre Wiedereinführung stationärer Grenzkontrollen“ erwogen werden. „Davon sind wir nicht mehr weit entfernt“, sagt Schuster.

„Derzeit entscheidet nicht Deutschland, wer in Deutschland einreist“, beklagt Mayer, „das entscheiden die Schleuser.“ Das sei ein untragbarer Zustand. Dabei handle es sich mittlerweile um ein Milliardengeschäft. „Wir müssen diese illegalen Wege besser in den Griff kriegen“, fordert Binninger. In einem Strategiepapier der drei Unionsabgeordneten heißt es: „Der Verfolgungsdruck und das Entdeckungsrisiko für diesen Täterkreis müssen deutlich erhöht werden.“ Rechtlich sei es auch möglich, Vermögen zu beschlagnahmen. Davon werde aber zu selten Gebrauch gemacht.

Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.fluechtlingskrise-umschichtungen-vom-zoll-zur-bundespolizei.98b6938f-dd9c-4eb9-afc7-1e83e7f26fb8.html