Tarifabschluss erreicht, Eingruppierung gesichert
Die Ausgangssituation war denkbar schwierig. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) hatte den Arbeitsvorgang und damit die Eingruppierung zum Kernpunkt der Tarifauseinandersetzungen erklärt: Über unsere Forderungen wollte sie nur verhandeln, wenn wir Verschlechterungen bei der Eingruppierung akzeptieren. Diesen Angriff konnten wir abwehren. Und landauf, landab machten Beschäftigte in Aktionen und Warnstreiks deutlich, dass sie bereit sind, für ihre Interessen einzustehen.
Mangelnde Wertschätzung
Der Angriff auf das Eingruppierungssystem machte die Verhandlungssituation nicht einfacher. Immer wieder führten die Arbeitgeber den Arbeitsvorgang ins Feld, um unsere Forderungen abzuschmettern. Dabei hat die jüngste Steuerschätzung ergeben, dass die Einnahmen bereits seit 2021 viel höher sein werden, als bisher erwartet. Die Einnahmesituation ist so gut, dass die Länderhaushalte 2021 insgesamt wieder nahezu ausgeglichen sind. Die Leistung der Beschäftig ten in dieser Situation nur äußerst widerwillig anzuerkennen und finanziell zu honorieren, zeugt von mangelnder Wertschätzung. Zukunftsorientiert ist das auch nicht, weil Fachkräfte so nicht gehalten oder gewonnen werden können.
1.300 Euro steuerfreie Sonderzahlung und 2,8 Prozent mehr
Ab 1. Dezember 2022 werden die Tabellenentgelte um 2,8 Prozent erhöht. Durchsetzen konnten wir eine Sonderzahlung in Höhe von 1.300 Euro, die Anfang des Jahres 2022 ausgezahlt wird. Die Sonderzahlung ist coronabedingt steuer- und abgabenfrei. Sie hat eine starke soziale Komponente, weil sie insbesondere in den niedrigeren Einkommensbereichen spürbar ist. Gegenüber der Tabellenerhöhung stellt die Sonderzahlung bis zum 1. Dezember 2022 außerdem einen echten Mehrwert dar. Um den Nettowert der Sonderzahlung zu erreichen, müsste zum Beispiel die Vergütung in der EG 6 Stufe 6 um 5,1 Prozent erhöht werden. Auch in allen anderen Entgeltgruppen ist die Wirkung höher als eine Tabellenerhöhung um 2,8 Prozent und gleicht damit die Inflation aus.
Die Tarifeinigung hat eine Laufzeit von 24 Monaten, also bis 30. September 2023.
Verbesserungen für junge Leute
Auszubildende, Studierende und Praktikant*innen erhalten ebenfalls Anfang 2022 eine Sonderzahlung in Höhe von 650 Euro. Und ab dem 1. Dezember 2022 erhalten sie eine Erhöhung der Vergütung von 50 Euro bzw. im Gesundheitsbereich von 70 Euro.
Auch die Regelung zur Übernahme nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung wird wieder in Kraft gesetzt.
Gelungen ist außerdem, erstmals die eklatant schlechten Bedingungen der studentischen Hilfskräfte in den Blick zu nehmen. Verabredet ist als erster Schritt eine Bestandsaufnahme über die Beschäftigungsbedingungen der studentischen Hilfskräfte als Voraussetzung für einen von uns geforderten Tarifvertrag.
Margrit Paal, Universität Tübingen: „Bei den sehr schwierigen Bedingungen, die wir sowohl im Streik als auch bei den wirklich äußerst zähen Verhandlungen hatten, finde ich das Ergebnis akzeptabel. Wir haben einfach mehr verdient, aber die Arbeitgeber sind anderer Meinung. Ich denke vor allem für die Hochschulen mit den vielen befristeten Arbeitsverhältnissen ist diese Einmalzahlung sehr gut.“
Spürbare Verbesserungen im Gesundheitsbereich
Große Einigkeit bestand in der Bundestarifkommission ö.D. beim Beschluss der Forderungen, dass Verbesserungen im Gesundheitsbereich dringend nötig sind. Mit unseren Forderungen nach einem 300-Euro-Mindestbetrag für alle im Gesundheitswesen konnten wir uns zwar nicht durchsetzen.
Erreicht haben wir stattdessen deutliche Erhöhungen bei den Zulagen: So werden die Intensiv- und die Infektionszulage jeweils von 90 auf 150 Euro erhöht. Die Wechselschichtzulage steigt von 105auf 150 Euro, die Schichtzulage von 40 auf 60 Euro und die allgemeine Zulage für Pflegekräfte an Universitätskliniken von 125 auf 140 Euro. Außerdem erhalten künftig weitere Berufsgruppen wie medizinisch-technische Assistent*innen, Diätassistent*innen, Physiotherapeut*innen erstmals eine Zulage in Höhe von 70 Euro.
So wird zum Beispiel eine Intensivpflegerin mit einer Eingruppierung in KR 9 Stufe 3 nach der linearen Erhöhung und inklusive Zulagen ein Monatsgehalt von 4.078,23 Euro erhalten und hat damit monatlich ein Plus von 5,67 Prozent oder 218,76 Euro.
Ein medizinischer Fachangestellter (MFA) in EG 5 Stufe 6, der ständig Schichtarbeit leistet, kommt künftig auf ein Monatsgehalt von 3.360,26 Euro – ein Plus von 5,59 Prozent oder 177,98 Euro. Und eine Ergotherapeutin in EG 6 Stufe 5, die ständig Schicht arbeitet, kommt künftig auf monatlich 3.404,43 Euro – ein Plus von 5,56 Prozent oder 179,19 Euro.
Diese Zulagen treten im Unterschied zur Tabellenerhöhung alle bereits ab 1. Januar 2022 in Kraft.
Bei allen Beispielen kommt im Jahr 2022 noch die steuerfreie Sonderzahlung in Höhe von 1.300 Euro dazu.
Hermann Schoer, Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz: „Ganz wichtig ist für mich, dass wir den Angriff auf den Arbeitsvorgang abwenden konnten. Das wäre fatal gewesen für meine Kolleg*innen, wenn das nicht gelungen wäre. Jetzt haben wir erstmal eine Sicherheit für 24 Monate. Für die nächsten Tarifrunden müssen wir uns noch besser vorbereiten und auch bei den Kolleg*innen noch stärker mobilisieren. Die Arbeitgeber sollen mal richtig merken, mit wem sie es zu tun haben.“
1:1 Übertragung auf Beamt*innenbereich zugesagt
Sowohl für ver.di als auch für die Arbeitgeber war die Frage der zeit- und wirkungsgleichen Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamt*innen der Länder und Kommunen sowie die Richter*innen und Dienstordnungsangestellten ein gesetztes Thema in den Verhandlungen.
ver.di konnte erreichen, dass die Länder zusagten, das Tarifergebnis zeit- und wirkungsgleich auf den Beamt*innenbereich zu übertragen. Die gesetzgeberische Übertragung der steuerfreien Sonderzahlung auf die aktiven Beamt*innen ist laut der Arbeitgeber bereits in Vorbereitung. Neben der Besoldung erhöhen sich auch die Bezüge der Versorgungsempfänger*innen zum 1. Dezember 2022. Vom Angebot der Arbeitgeber zur Corona-Sonderzahlung waren sie nicht erfasst.
Matthias Schrade (Beamt*innenvertreter in der ver.di-BTK): „Unter diesen Vorzeichen und Rahmenbedingungen ist das ein akzeptables Ergebnis. Wir nehmen die Arbeitgeber beim Wort und erwarten eine 1:1-Übertragung auf den Besoldungsbereich. Nicht
nur bei der Corona-Sonderzahlung und der linearen Erhöhung sondern auch bei den Zulagen. Wir erwarten insbesondere, dass die Zulage für das Gesundheitswesen auch den beamteten Kolleg*innen im Rettungsdienst zu Gute kommt."
Jetzt seid ihr dran!
Die Tarifeinigung hat Stärken und Schwächen. Gewünscht haben wir uns mehr, nicht nur finanziell. So bestand zum Beispiel für die stufengleiche Höhergruppierung oder für die Verhandlungszusage über die Eingruppierung von Beschäftigten im Straßenbau und Straßenbetriebsdienst keinerlei Chance auf Durchsetzung. In den wirklich zähen Verhandlungen ist erreicht worden, was zu erreichen war. Und auch das ging nur mit der erfreulich breiten Beteiligung vieler Kolleg*innen an den Warnstreiks.
Nun habt ihr das Wort: Wie nach den letzten Tarifrunden seid ihr nach eurer Meinung zum Ergebnis der Tarifverhandlungen gefragt. Die Mitgliederbefragung werden wir in Kürze einleiten. Nutzt diese Gelegenheit, um mit euren Kolleginnen und Kollegen – sei es persönlich in Betrieb oder Dienststelle oder se es virtuell – die gegenüber betonharten Arbeitgebern erreichten Ergebnisse zu diskutieren. Werbt dafür, dass wir gemeinsam etwas durchsetzen konnten und gemeinsames Engagement nötig ist, um überhaupt etwas durchsetzen zu können!
Mehr Informationen zum Ergebnis der Tarifrunde der Länder 2021 unter https://unverzichtbar.verdi.de/
Statements der Verhandlungsführung und von Mitgliedern der Bundestarifkommission öffentlicher Dienst: https://unverzichtbar.verdi.de/++co++b3ea091a-50fa-11ec-9593-001a4a16012a